Als an diesem Freitag im März 2020 die ersten Nachrichten über die Maßnahmen in der Corona-Krise durchdrangen, wurde mir schon klar, dass sich mein Leben mit Helen für die nächsten Wochen dramatisch ändern würde. Ende offen. Kita- und Schulschließungen waren angekündigt, das betrifft uns nicht mehr. Helen ist mittlerweile 23 und „arbeitet“ in einer Behindertenwerkstatt. Von solchen Einrichtungen wurde damals nicht gesprochen und wird es auch in den zwei Monaten, die wir jetzt weiter sind, noch immer nicht. Ein vergessenes Thema in der gesellschaftlichen Debatte, wie bei unseren Kindern mit ihrer seltenen Erkrankung so oft.
Ich musste nicht lange warten, am Montag kam pünktlich um 8 Uhr der Anruf von der Werkstatt: Helen könne noch kommen, aber es sei sonst kein Mitarbeiter da und man warte auf nähere Informationen. Natürlich blieb auch Helen zu Hause, auf ein paar Tage mehr oder weniger würde es nicht ankommen. Und richtig: Am Mittwoch kam dann die Ansage: Werkstatt zu, bis auf Weiteres. Seitdem ist Helen Zuhause. Hilfe: Fehlanzeige! Arbeiten: Fast unmöglich. Die neue Ansage lautet: Bis mindestens August würde es wohl dauern. Helen fragt täglich: „Ist heute Werkstatt?“ Leider nein, die Gründe versteht sie nicht.


Wie es mir dabei geht? Man hat gelernt mit solchen Situationen umzugehen. Ferien waren ja auch schon immer schwierig. Man lernt Gelassenheit. Kommt in einen komischen Groove, der einen das Alltagsleben unter schwierigen Umständen ertragen lässt. Wird man Helen immer gerecht? Man bemüht sich. Dankbar bin ich für die nette Betreuerin, die seit Jahren für Helen da ist, und trotz Corona zu uns kommt. Als angehende Grundschullehrerin hat sie jetzt allerdings nur noch wenig Zeit, denn in den „normalen“ Schulen läuft es ja langsam wieder an.
Seit einigen Monaten bin ich auf der Suche nach einem Heimplatz für Helen, weil es einfach Zeit dafür wird. Aber das gestaltet sich schwierig, denn Helen ist der Typ „Sehr-beweglich-schnell-ohne Gefahrenbewusstsein-mit kreativen Chaospotential“ und damit anstrengend. Wird nicht so gerne genommen. In der jetzigen Situation bin ich froh darüber. Eine Kontaktsperre oder ein Besuchsverbot hätte ich nicht ertragen. Einkaufen muss mein 21-jähriger Sohn, denn Helen hat es nicht so mit der Maskenpflicht und alleine Zuhause lassen, kann ich sie nicht. Ich denke darüber nach, mir ein Attest vom Arzt zu besorgen, das sie von der Maskenpflicht befreit. Das Leben bleibt spannend…